Der anglikanische Priester Father Michael Lapsley, Gründer des Instituts „Healing of Memories“ und ehemaliger Aktivist gegen das Apartheidsregime in Südafrika, wurde weltweit bekannt für seinen Umgang mit seelischen oder körperlichen Verletzungen. Auf Einladung des Evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Osnabrück, von Friedensort Osnabrück FO:OS und der Kirchengemeinde St. Marien Osnabrück spricht Father Lapsley am Dienstag, 11. Juni, um 18 Uhr in der Evangelisch-lutherischen Kirche St. Marien, Markt, 49074 Osnabrück. Er stellt sein Konzept vor, mit erlittenen Verletzungen der Vergangenheit umzugehen, das mittlerweile weltweit umgesetzt wird; derzeit besonders in Myanmar. Lapsley wird auf Englisch sprechen. Eine konsekutive Übersetzung ist sichergestellt. Musikalische Beiträge bei der Veranstaltung übernimmt Andreas Ottmer aus Osnabrück. Der Eintritt ist frei. Es wird um eine Spende für das Institut „Healing of Memories“ gebeten.
Michael Lapsley, geboren 1949 in Neuseeland, trat als junger Mann dem anglikanischen Orden „Gesellschaft der Heiligen Mission (SSM)“ bei und wurde Priester. In den 1970er-Jahren entsandte der Orden ihn nach Südafrika. An der Universität in Durban wurde er Kaplan für Studierende aller Hautfarben und begann, sich gegen die Apartheid zu engagieren. 1976 wurde Father Lapsley aus Südafrika ausgewiesen, zog erst nach Lesotho und später nach Zimbabwe. Im Jahr 1990, drei Monate nach der Entlassung Nelson Mandelas aus der Haft, versuchte der südafrikanische Geheimdienst, den anglikanischen Priester mit einer Briefbombe zu töten. In Folge der Explosion verlor er beide Hände, ein Auge und sein Hörvermögen ist seither beeinträchtigt. 1992 kehrte Lapsley nach Südafrika zurück, wo er die Arbeit der südafrikanischen Wahrheits- und Versöhnungskommission unterstützte. Hier arbeitete Lapsley eng mit dem Vorsitzenden der Kommission, dem südafrikanischen anglikanischen Geistlichen und Erzbischof von Südafrika Desmond Tutu zusammen. Tutu erhielt 1984 für seine Menschenrechtsaktivitäten den Friedensnobelpreis; er starb am 26. Dezember 2021.
Trotz seiner eigenen gewaltvollen und dramatischen Erfahrung resignierte Father Lapsley nicht. Er entwickelte einen Umgang mit seinem Trauma, den er auch mit anderen Menschen teilte. Er beschrieb den heilsamen Umgang mit Wunden der Vergangenheit und nannte seinen Ansatz „Healing of Memories“. Dazu arbeitete er mit Menschen, die selbst unter schmerzhaften Erfahrungen zu leiden hatten. „Healing the Wounds of History“, die Suche nach einem heilsamen Umgang mit den erlittenen Verletzungen der Vergangenheit, wurde sein Thema.
Das von Father Lapsley 1998 gegründete Institut „Healing of Memories“ ist inzwischen weltweit bekannt. Das Konzept ist konkret und niederschwellig. Es ist ausdrücklich keine Therapie, trotzdem hat es heilsame und therapeutische Wirkung. In geschütztem und sicherem Rahmen ist es traumatisierten, seelisch verletzten Menschen möglich, ihre Geschichte zu erzählen. Dieser Rahmen eröffnet Raum für die wesentliche Erfahrung, gehört zu werden. Teilnehmer*innen werden dabei durch den sicheren Rahmen, durch geschulte Helfer*innen, durch hilfreiche Rituale und durch trauma-sensible Impulse unterstützt. Teilnehmende berichten, dass es ihnen in diesem Rahmen möglich wurde, erstmals Dinge auszusprechen, die sie oft jahrzehntelang in sich verschlossen hatten. Die eigene schmerzhafte Erfahrung auszusprechen und respekt- und liebevolle Resonanz zu erleben, wird von ihnen als heilend erlebt. Bei dem Vortrag vom 11. Juni wird Lapsley die Arbeit des Instituts und den Ansatz „Healing the Wounds of History“ erläutern. Nach dem Vortrag wird es Raum für Kommentare, Fragen und zum Austausch geben.
Diese Veranstaltung ist offen für alle Interessierten und eine einzigartige Gelegenheit, die beeindruckende Persönlichkeit Michael Lapsleys vor dem Hintergrund seiner Biographie „live“ zu erleben und sich mit ihm auf den Weg einzulassen, auch angesichts schwerster Gewalterfahrungen menschliche Widerstandsfähigkeit zu entdecken und sich (neu) den Dimensionen von Vergebung und Versöhnung zu öffnen.